Die Perle des Lichtes
Ein Märchen, welches mit Neugier beginnt, von Mut, Täuschung und Hingabe handelt, und mit einer unerwarteten Erlösung endet.
Jula Scholzen-Gnad (Illustrator), Alexander Flügel (Autor)
Einst lebten in einem Dorf zwei Brüder. Der ältere hieß Dizuto und besaß große Reichtümer. Nie und nimmer konnte er genug bekommen, obwohl sich sein Vermögen ständig mehrte. Der jüngere hingegen, Anthino, war ein armer Jäger. Seine Hütte stand am Ende des Dorfes hinter einer Flußbiegung, wo der Wald anfing.
Nur wenige Stunden zu Fuß entfernt erhob sich ein riesiger, weithin sichtbarer Berg. Über ihn wurde mancherlei erzählt, aber niemand wußte Genaues zu sagen. Denn, wer sich doch einmal in der Gegend um den Berg verirrte, dem konnte es besonders nachts geschehen, daß er unerwartet geheimnisvolle Stimmen hörte! Jedermann lief schnell davon.
Eines Tages, nach erfolgloser Jagd, entdeckte Anthino die Spur eines Hirsches, der sehr groß und kräftig sein mußte. Eifrig folgte er ihr immer tiefer in den Wald hinein.
Endlich sah er, nur durch wenige Büsche verdeckt, wie das prächtige Tier auf einer Lichtung stand! Anthino schlich heran, nahm Pfeil und Bogen zur Hand und - "Ach guter Jäger, bitte hilf mir!", hörte er da auf einmal eine klägliche Stimme hinter sich jammern. Verwirrt wandte er sich um: Dort flatterte im dichten Gestrüpp eines Dornbusches hilflos ein kleines Vögelchen! Anthino bog behutsam die Zweige auseinander und half ihm wieder heraus. "Vielen Dank, lieber Jägersmann, du wirst es nicht bereuen!" sprach das Vögelchen und flog frohgemut davon. - Aber auch der Hirsch erkannte die Gefahr, in der er schwebte. Schneller als der Wind war er verschwunden.
So kam es, daß Anthino ganz allein auf der Lichtung zurückblieb. Die Sonne neigte sich dem Horizont, und es wurde Zeit, an den Heimweg zu denken. Doch wohin war er im Eifer der Jagd geraten? Alles schien fremd und unbekannt. - Fern unten im Tal sah er seine Hütte, viel zu weit, um jetzt noch aufzubrechen. Da wurde ihm mit einem Mal klar, wo er sich befand: Er hatte den geheimnisvollen Berg bereits zur Hälfte bestiegen ...
